Aachen (ots) - Überraschend kommt dieser überwältigende Sieg Wladimir Putins wirklich nicht. Mit oder ohne Wahlmanipulationen müssen wir festhalten: Die Mehrheit der Menschen in der russischen Föderation steht hinter dem starken Mann im Kreml. Dem Westen mag diese bittere Wahrheit zwar nicht schmecken. Trotzdem wird er sich mit sechs weiteren Jahren Putin abfinden müssen. Bitter ist vor allem, dass Putin kein Partner mehr ist. Eine simpel anmutende Erkenntnis, die nunmehr selbst bei Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen angekommen ist. Zu mannigfaltig und zu bedrohlich sind die Verstöße Russlands gegen geltende Verträge, geltendes Recht und geltende Moralvorstellungen. Doch der Westen ist nicht ganz unschuldig an diesem Dilemma. Er hatte die Hand, die Putin als noch junger Präsident 2001 bei seiner Rede im Bundestag ausstreckte, ignoriert. Erinnern wir uns? Damals bot sich Russland als Partner für ein starkes, demokratisches Europa an. Wladimir Wladimirowitsch kritisierte, dass die Politiker im alten Wertesystem lebten und sich nicht vertrauten. "Der Kalte Krieg ist vorbei", sagte er. Aus heutiger Sicht kann man argumentieren, dass sich Putins schöne Worte als leere Worthülsen entpuppten, weil er die Pressefreiheit einschränkte, die Opposition marginalisierte und ein Syndikat aus Geheimdienstlern und Oligarchen schuf, die seine Macht sichern. Man kann die völkerwidrige Besetzung der Krim, die Unterstützung der Separatisten im Donbass, die Finanzierung rechtsradikaler Parteien in Europa, Cyberattacken auf Regierungen und zuletzt den (vermutlichen) Giftanschlag in Salisbury anführen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der Westen nie versucht hat, Putin und die russische Seele zu verstehen. Weil es der Sehnsucht nach imperialer Größe aus russischer Sicht widerspricht, wenn ein westliches Militärbündnis immer expansiver auftritt. Wenn Deutschland 2019 ein Nato-Bataillon im Baltikum anführt, das zur Abschreckung Russlands gedacht ist. Oder wenn US-Präsidenten wie einst Barack Obama das Riesenreich als "Regionalmacht" kleinreden. Ob wir knapp 17 Jahre nach der Rede Putins zurück sind in einem Kalten Krieg, darf zum Glück noch in Frage gestellt werden. Sehr sicher jedoch hat der neue und alte Zar eine spezielle Form der Politik entwickelt, gegen die vor allem Europa noch kein Rezept gefunden hat. Angelehnt an die Theorien des Renaissance-Autors Niccolo Macchiavelli werden die Staaten des Westens in einem perfide ausgeklügelten System in "asymmetrische Konfrontationen" verwickelt. Nicht zuletzt unterstützt durch Lobbyisten eines neuen Typs wie Gerhard Schröder werden Staaten entweder wirtschaftlich abhängig gemacht, durch russische Minderheiten bedroht, politisch umgarnt oder dreist belogen. Mit sehr viel Gespür wurde die Isolation der Briten im Brexit-Prozess erfasst und mutmaßlich zur Ausschaltung eines politischen Gegners genutzt. Oder nehmen wir den US-Isolationismus der jüngeren Geschichte. Der führte letztlich durch die Einmischung Russlands zur Katastrophe in Syrien. Doch soll der Westen den Briten auf dem Weg in einen neuen Kalten Krieg folgen? Das wäre der schlechteste Weg. Nur ein ausgeklügelter Mix aus Sanktionen und Gesprächsbereitschaft kann zum Erfolg führen. In der Person Angela Merkels könnte die Lösung liegen. Von Putin geschätzt, erfahren und unaufgeregt könnte die Bundeskanzlerin einen großen Beitrag zu Frieden und Stabilität leisten. Damit Putin Partner wird und kein Gegner bleibt.
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